unsere Praxis   Gesundheit   Sicherheit   News   Kontakt   Datenschutz   Termin/Rezept
   
 







zurück zur Übersicht...

07.05.2013

Lustkiller Pille ? Hormone und Libido

 

Man kann sich das heute kaum noch vorstellen, aber vor der Einführung der Pille war das sexuelle Begehren der Frau durch die gängigen Moralvorstellungen, die Erziehung und der Angst vor ungewollter Schwangerschaft, derart beeinträchtigt, dass man Frauen lange Zeit keine eigene aktive Sexualität zuschrieb.
Mit der Entwicklung der Pille schwand dann nicht nur die Angst vor einer ungewünschten Schwangerschaft , sondern sie ermöglichte auch erst die freie Entfaltung der Sexualität von Frauen , insbesondere ihres sexuellen Begehrens ( = Libido ). Nach 50 Jahren Pille ist das angstfreie Erleben einer lustvollen Sexualität heute nicht nur zu einer Selbstverständlichkeit geworden, sondern viele Frauen haben auch das Bedürfnis, ständig und uneingeschränkt über eine gute Libido verfügen zu können.
Wenn es zu Beeinträchtigungen des Begehrens (Appetenz ) kommt, wird dies als erhebliche Beeinträchtigung der Lebensqualität empfunden und es wird nach Ursachen gesucht. Nicht selten sehen die betroffenen Frauen dann einen Zusammenhang mit der hormonellen Verhütung und sprechen mich darauf an : „Seit ich die neue Pille nehme, habe ich kein sexuelles Verlangen mehr“.

Kommt die Pille wirklich als „Lustkiller“ in Frage – und wenn ja , unter welchen Bedingungen ? Welche Rolle spielen psychologische Aspekte wie die Partnerschaft, die momentane Lebenssituation und der körperlich-seelische Zustand ? Welche Rolle spielen biologische Prozesse wie z.B. die Bildung der Hormone, welche stark vom Zyklus abhängen?

Zur Klärung dieser Fragen möchte ich auf die Wechselwirkung von Hormonen und der Libido eingehen.

Im natürlichen Zyklus – also ohne Pille – gibt es beträchtliche Schwankungen bei allen Hormonen . auch den mittlerweile öfters diskutierten Pheromonen ( = Sexuallockstoffe). Und mittlerweile ist klar erwiesen, dass es einen engen Zusammenhang zwischen dem weiblichen Zyklus und der weiblichen Sexualität gibt. Das größte sexuelle Interesse besteht in der ersten Zyklushälfte, also der Zeit vor dem Eisprung. In dieser Zeit ist auch das allgemeine Wohlbefinden am besten, hier ist die körperliche Leistungsfähigkeit erhöht und hier erleben Frauen die größte körperliche Anziehung gegenüber Männern. Ab dem Eisprung kommt es dann zu einer Abnahme des sexuellen Begehrens bis zur Regelblutung.

Verantwortlich dafür sind nicht die weiblichen Hormone ( Östrogene ) , sondern ( erstaunlicherweise !) das männliche Hormon Testosteron, von dem eine Frau im fruchtbaren Alter täglich 400pg/ml bildet – in den Eierstöcken, in der Nebennierenrinde, und im Fett- und Muskelgewebe. Jedoch regen nur die in freier Form vorliegenden 2% des Testosterons die sexuelle Appetenz an; die restlichen 98%, die an das Bindungseiweiß SHBG gebunden sind, haben keine biologischen Effekte.

Hormonelle Verhütungsmittel beeinflussen den SHBG-Spiegel im Blut . Durch die Einnahme der Pille wird mehr Bindungseiweiß SHBG gebildet, also noch mehr Testosteron gebunden und unwirksam gemacht. Dadurch sinkt der Anteil des freien ( also wirksamen ) Testosterons im Blut mit der Konsequenz, dass das sexuelle Interesse abnimmt.

Insbesondere die Wirkstoffe in den Pillen, welche gegen Akne, Mehrbehaarung und Haarausfall wirken, erhöhen den SHBG-Spiegel und vermindern damit den Anteil der freien männlichen Hormone. Es handelt sich um die Wirkstoffe Cyproteronacetat CPA und Chlormadinonacetat CMA. In Studien wird von einer Abnahme der sexuellen Appetenz bei bis zu 10% der Anwenderinnen berichtet.

Der Zusammenhang zwischen der Höhe des Blutspiegels an männlichen Hormonen und sexuellem Begehren ist dennoch nicht ganz so eindeutig. Veränderungen im Hormonspiegel führen nicht zwangsläufig bei allen Frauen zu einer Verminderung des sexuellen Verlangens. Dies hängt wohl mit genetischen Unterschieden der Enzymausstattung zusammen.

Weil es unter der Pilleneinnahme keine Schwankungen des Testosteronspiegels im Blut gibt, ist andererseits das sexuelle Begehren über den ganzen Zyklus gleich bleibend. Nach verschiedenen Studien waren Pillenahnwenderinnen deswegen zufriedener mit ihrem sexuellen Verhalten und Erleben und freizügiger in ihren sexuellen Handlungen.

Bei der Dreimonatsspritze kann es in bis zu 11% zu einer Verminderung oder Verlust der sexuellen Appetenz kommen, bis hin zu depressiven Verstimmungen. Dies beruht auf der Unterdrückung der Eierstockshormone mit der Folge von Veränderungen der (Schleim-)Haut, Scheidentrockenheit und Schmerzen beim Verkehr.

Beim Hormonstäbchen kommt es in ungefähr 5% zu Libido-Störungen, so dass sich aus diesem Grund circa 2,5 der Anwenderinnen das Implantat vorzeitig entfernen lassen.

Bei der Hormonspirale wird der Eisprung nicht unterdrückt und die zyklischen Veränderungen der Hormone im Blut bleiben erhalten. Im Vergleich zu Frauen ohne hormoneller Verhütung zeigt sich somit auch kein Unterschied hinsichtlich der Libido, der sexuellen Erregung und Befriedigung oder Schmerzen beim Sex.

Nach diesen Ausführungen zur hormonellen Wechselwirkung möchte ich aber eindrücklich darauf hinweisen, dass unsere menschliche Sexualität nicht nur rein biologisch durch Instinkte und Hormone beeinflusst wird, sondern dass auch andere Faktoren wie Partnerkonflikte, Stress, Ängste, Krankheit und Medikamente darauf einwirken und unser lustvolles Erleben beeinträchtigen können. Und es entspricht ja auch unserer Alltagserfahrung : eine befriedigende Lebenssituation führt zu besserer sexueller Freude und Zufriedenheit, häufigerem Sex und damit zu größerer Wahrscheinlichkeit den Orgasmus zu erreichen.

Und darin sehe ich auch eine ganz wesentliche Aufgabe in einer von Vertrauen geprägten Arzt-Patienten-Beziehung : herauszufinden, welche Verhütungsmethode die in der jeweiligen Lebenssituation die für Sie richtige ist – auch was ( neben der Sicherheit und Verträglichkeit ) die sexuelle Erlebnisfähigkeit betrifft.